Das Race across Scotland startete am Samstag, 10. August, morgens um 6 Uhr im Hafen von Portpatrick, dem Startort des Fernwanderwegs Southern Upland Way. 167 aufgeregte Läuferinnen und Läufer wurden von einem Dudelsackspieler und einem Trommler auf den Weg Richtung Ostküste geschickt. Ein absoluter Gänsehaut-Moment. Mit meiner Lauffreundin Monica aus Holland würde ich die nächsten 4 Tage lang durch wunderbar wildes und einsames Terrain laufen. Durch Hochmoore, bei denen unsere Schuhe bei jedem Schritt im Wasser landeten, über Hügelketten voll lila Heidekraut und durch dunkle Wälder. Das Rennen führt über 354 Kilometer, 88 Hügel und 273 Schafgatter und verlangt den Teilnehmern physisch und mental alles ab.
Monica und ich wandten eine Strategie an, die wir in den belgischen Mooren entwickelt hatten: alle 10 Kilometer zogen wir Schuhe, Socken und Sohlen aus, trockneten die Füße in der Sonne und wechselten die Socken. Wir wurden oft belächelt, weil an unseren Laufwesten stets zwei Paar Socken zum Trocknen baumelten. Doch der feuchte Untergrund und das heiße Wetter von bis zu 30 Grad führten bei vielen Teilnehmern zu “Trench Feet” und Blasen, und am Ende mussten viele wegen offener Füße aufgeben. Von den 167 Startern sollten nur 63 das Ziel in Cockburnspath erreichen.
Die unerwartete Hitze machte Monica und mir an den ersten beiden Tagen schwer zu schaffen, im baumfreien Hochland waren wir der Sonne ungeschützt ausgesetzt, was uns viel Energie kostete. Tag drei, wir hatten bereits 200 Kilometer in den Beinen, begann mit einem Gewitter und Starkregen, der uns völlig durchweichte, aber auch endlich Abkühlung brachte. Wegen des Unwetters änderten die Organisatoren die Streckenführen, da der Weg über die Berge zu gefährlich war. Als wir am Abend des Tages nach 300km den Checkpoint in Lauder erreichten, wussten wir: jetzt schaffen wir es! Alle 100km konnten wir an Checkpoints unsere Kleidung wechseln, die Laufwesten neu mit Essen befüllen und etwas ruhen. Wir hatten uns dafür entschieden, jede Nacht etwa 3h zu liegen (Schlaf war nicht immer möglich, die krampfenden Beine oder schnarchende Mitläufer verhinderten dies), um den Beinen und Füßen etwas Erholung zu geben. Andere Teilnehmer hatten sich für das Durchlaufen ohne Schlaf entschieden, bezahlten dies am Ende jedoch mit Navigationsfehlern, Halluzinationen und einem langsamen Tempo. Mehr als ein Mal mussten wir völlig verwirrten Läufern den richtigen Weg weisen. Und dann lag sie endlich vor uns, die Nordsee! Nach 86 Stunden und 26 Minuten erreichten wir am vierten Tag das Ende des Southern Upland Way und das Ziel des Race across Scotland. Als 5. und 6. Frau wurden wir mit silbernen Gürtelschnallen ausgezeichnet.