Laufbericht Albrecht Schönbucher

 

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Liebe Freunde, Unterstützerinnen und Partner

Ihr habt zwei lange Wochen Geduld gehabt mit mir, seid von Mails und Infos überschüttet worden und habt mir doch so wunderschöne, schmeichelnde Rückmeldungen gesandt und vor allem: So viele von Euch haben mit ihrer Spende dazu beigetragen, dass Kinder in einem lange nicht so privilegierten Teil der Welt eine größere Chance auf ein menschenwürdiges Leben erhalten. Dafür danke ich Euch allen, ganz sicher auch in ihrem Namen, von Herzen!!!

Der 11. Mauerweglauf 2023 ist nun Geschichte, so wie die Mauer selbst. Die Spendenaktion hingegen läuft noch bis kommenden Sonntag, 20. August weiter. Vielleicht schaffen wir sogar noch die 10’000.- – Marke, viel fehlt nicht mehr. Aber schon der bisherige Spendenstand von über 8’000.- ist für mich überwältigend und war so nie erwartet worden. Ich habe mein gewagtes Versprechen eingehalten und die 161 km bewältigt – sogar in unter 21 Stunden. Wie das alles war bei dieser unfassbaren Veranstaltung, könnt Ihr gerne dem folgenden Bericht entnehmen.

Mauerweglauf 2023

Dort wo einst eine Mauer Menschen aus einer Stadt, Familien und Freunde,Ost und West voneinander trennte und so unsägliche Leiden verursachte, fand am vergangenen Wochenende der 11. Berliner Mauerweglauf über 100 Meilen (161 km) statt. Auf den Tag genau 62 Jahre nach dem Mauerbau erreichte die Mehrzahl der Finisher das Ziel im Limit der erlaubten 30 Stunden – nämlich all diejenigen, die länger als 18 Stunden unterwegs waren. Eine Minderheit schaffte das sogar noch vor Mitternacht,über ein Drittel musste aufgeben.

„Niemand hat die Absicht 100 Meilen zu laufen!“

Mit der Idee, Geschichte «erlaufbar» zu machen, war dieser Gedenklauf 2011 in kleinerem Rahmen gestartet – heute zählt er mit internationaler Resonanz zu den bedeutendsten 100-Meilern der Welt. Ein Slogan der Veranstalter, auf vielen T-Shirts verbreitet, lautet: „Niemand hat die Absicht 100 Meilen zu laufen!“. Die ironische Abwandlung von Walter Ulbrichts, DDR-Staatsratsvorsitzender zu Zeiten des Mauerbaus, verlogenem Spruch: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten!“

Spendenlauf für Mon Devoir

Nach meiner ersten Teilnahme im vergangenen Jahr ließ mich trotz aller Leiden und Strapazen die Idee nicht mehr los, ein zweites Mal zu starten. Motivierend war sicherlich die Tatsache, auf Anhieb unter 60 Gemeldeten Ü-60ern überraschend meine Altersklasse in 21:38 gewonnen zu haben. Noch mehr jedoch, weil es ein ganz besonderer Lauf ist, bei dem die Gedanken bei den Opfern dieser Zeit sind, das Leid der Menschen einem nahe ist und das Passieren so vieler historischer Orte einem die Strapazen meistens erträglich machen. Berührend sind die vielen Orte des Gedenkens, an denen mit Stelen, Fotos und einem Schicksalsbericht an
jeden einzelnen Menschen erinnert wird, der hier sein Leben ließ – einzig und allein, weil der Versuch, ein Leben in selbstgewählter Freiheit zu wählen, oft das Todesurteil verhieß.Was scheint naheliegender, als einen solchen Lauf zu nutzen, um andere Opfer, die einer ungerechten Welt, mittels eines Spendenlaufs zu unterstützen. Also aktivierte ich mein gesamtes privates und berufliches Umfeld, um Gelder zu sammeln, die in einem Vorort der togoischen Hauptstadt Lomé in Westafrika Kindern aus allerärmsten Verhältnissen denSchulbesuch ermöglichen soll. Die Schule wird seit Langem von unserem Förderverein in Freiburg i. Br. unterstützt. Seit 2014 bin ich selbst Teil der Mon Devoir Marathon Gruppe (MDM) unter Race Director Christof Lindenbeck, die bereits 175 Marathons veranstaltete, deren Startgelder vollumfänglich dem Stipendienfonds für den Schulbesuch zufließen. Bis zum Start in Berlin kamen so bereits annähernd 8’000.- zusammen – bis 20. August darf noch gespendet werden für diese kleine Kampagne. Meine versprochene «Gegenleistung»? Euch bekannt: Wenige Tage vor meiner Berentung und dem 65. Geburtstag die Strecke in 21 Stunden zu finishen.

Viel zu flott in den Süden

Pünktlich um 6 Uhr morgens am 12. August fiel der Startschuss für die gut 500 Einzelstarter*innen, immerhin ein Drittel Frauen. Später folgten die Staffeln. Dieses Jahr führte die Laufrichtung im Uhrzeigersinn von Berlin Mitte durch das noch schlafende Regierungsviertel, zunächst in den Süden der Stadt. Zur Orientierung also: in Laufrichtung rechts lag stets das alte West-Berlin und links der Osten. Nach 6 absolvierten Marathons, die meisten für die MDM Gruppe und 3 Ultras (von 53 bis 95km) seit Januar fühlte ich mich bestens vorbereitet. Anfangs fühlten sich die Beine noch soleicht an, dass ich den ersten der fast vier Marathons in viel zu schnellen 4:17 zurücklegte. Per Whatsapp erfuhr ich von einem Lauffreund, dass ich seit einiger Zeit in der Altersklasse vorne läge. Ab sofort schob ich deutlichlängere Pausen an den mit reichhaltiger Verpflegung ausgestatteten insgesamt 26 VPs ein. So gestattete ich mir an VP7 bei «Ninas Eltern» neben Käsehäppchen auch ein Hühner- und sogar ein kleines Wachtelei – köstlich!

Ende der Leichtigkeit, dann frisch Gezapftes

Das Laufen fiel mir bald deutlich schwerer. Die Pace lag nun nur noch bei 7oder 8 Minuten pro Kilometer. Die Gespräche mit den Laufkolleg*innen begannen zunehmend zu verebben. Jeder der vielen VPs half nun neben der Getränke- und Essenszufuhr auch zur seelischen-mentalen Stärkung – angesichts der unglaublich sympathischen und hilfsbereiten Volunteers, mehr als 400 an der Zahl. Auch die zu Beginn lästigen Ampelstopps – wer rote Ampeln ignoriert kann disqualifiziert werden – boten jetzt willkommene schöpferische Pausen und die Chance, kurz die Muskeln zu dehnen. Ganz erfreulich und motivierend waren auch zwei Becher frisch gezapftes kühles Bier an VP 12, Brauhaus Meierei in Potsdam – schlägt definitiv jedes Isostar. Letztes Jahr kamen da allerdings schnell Wohlfühlgedanken in mir auf und ich musste die idyllischen Bilder, wie daswohl wäre, jetzt hier gemütlich zu verweilen, schnell wieder aus dem Kopf verbannen!
Die familiäre Begleitung meiner in Berlin lebenden Tochter Luana mit Freund auf dem Rad, entlang des Jungfernsees gleich hinter Potsdam, erweckte aufs Neue meine Lebensgeister aus der zwischenzeitlichen Lethargie. Ich entschloss mich nun zu einer am Ende fast halbstündigen Regenerationspause mit den beiden, im Liegestuhl relaxend bei km 88 am VP Schloss Sacrow – einem der drei Stellen, an denen Dropbags mit Wechselkleidern deponiert werden konnten.

Nach dem Boxenstopp – in Richtung km 100

Mit frischen Socken und neuem Schuhwerk ging es weiter gen Norden. Jane, eine Freundin aus Neukölln, leistete an mehreren aufeinanderfolgenden VPs bis hinauf nach Spandau moralischen Support. Seit Längerem quälte mich eine latente Übelkeit – nicht Unbekanntes für Ultraläufer*innen und doch immer sehr lästig und belastend. Auch die schwülen Wetterbedingungen taten ein Übriges hierzu. Fortan nahm ich nur noch das absolut Nötigste an Nahrung zu mir – ein bisschen Obst, kleine Kartoffelstückchen etwa und bei den Getränken meist Sprudel oder Wasser unterwegs, dazu in Abständen Salztabletten. Nach einem erfrischenden Regenguss ging es so langsam in den kritischen Bereich, hinein in die «Todeszone» ;-), jenseits der 100km. Gemächlich gehende, erschöpfte Kolleg*innen wurden nun häufiger passiert. Mir selbst half, dass«meine Zeit» bei Ultras – sonst mehrheitlich in den Bergen gelaufen – fast immer im letzten Drittel kommt, Erfahrung eben. Die Ruhe der Nacht, durch weitgehend ablenkungsfreie dunkle Wälder im Norden Berlins half mir, ganz fokussiert zu sein und meinen Rhythmus zu halten. Die Devise: immer bis zum nächsten VP durchlaufen, maximal ein bis zwei sehr kurze Gehpausen einflechten, dann nur noch kurze Boxenstopps.

Dem Ziel entgegen – Kampf um die 21-Stundenmarke

Nach ca. 12 Stunden 15 Minuten hatte ich die 100km-Marke passiert, nach15 Stunden fehlte «nur» noch eine letzte Marathonstrecke. Rein rechnerisch galt es jetzt, im Rahmen von 6 Stunden das Ziel zu erreichen. In keinem Moment zweifelte ich daran, dass dies gelingen könnte. Und doch war es ein brutaler Kampf, jedes Mal nach einem VP aufs Neue loslaufen zu «müssen». Gegen 1 Uhr nachts waren die Lichter der Stadt mit dem markanten Alex-Fernsehturm zu sehen – dort in der Nähe liegt derStart- und Zielbereich. Noch einige Kilometer quer durch Prenzlauer Berg, vorbei an Nachtschwärmer*innen – die 21-Stundenmarke war nun greifbar nahe. Einige rote Ampeln machten mich dann doch noch etwas nervös, aber nur wenige Schritte fehlten zum Ziel im Eisstadion. Nach 20:45:47 passierte ich unter dem Applaus einer ganzen Menge Menschen, die um kurz vor 3 Uhr nachts ausgeharrt hatten, überglücklich und erschöpft die Ziellinie.

Altersklasse erneut gewonnen – beinahe unter den ersten 10% insgesamt

Mein ambitioniertes Ziel mit 21 Stunden war sogar deutlich überboten, Rang 1 in der Altersklasse, dieses Mal der AK 65, gesichert. Auf der zweiten Hälfte der Strecke hatte ich mich noch von Gesamtrang 86 (Männer 61) auf Rang 55 (40) vorgekämpft – trotz des «Blitzstarts». Das Glück war fast vollkommen und wurde mit zwei feinen gezapften Bieren
gemeinsam mit einem Laufkollegen gebührend gefeiert. Dann war allerdings Schluss, nach 26 Stunden war es herrlich, frisch geduscht ins Bett zu fallen! Ohne akribische Vorbereitung würde ich allerdings diesen wunderbaren Gedenklauf niemandem empfehlen – unbedingt aber in einer der Staffeln. Unglaubliche 36% aller Startenden erreichten das Ziel leider nicht. Minutenlange Begeisterungsstürme löste bei der Siegerehrung die 51-jährige Norwegerin Line Caliskaner aus: sie schaffte es als erste Frau bei diesem harten Rennen, den Gesamtsieg davonzutragen und sensationell sämtliche Männer regelrecht zu distanzieren– in stolzen 13:53:57! Eineinhalb Stunden unter dem bestehenden Streckenrekord der Frauen und 32 Minuten vor dem schnellsten Mann!Ich danke abschließend allen, die mich so toll unterstützt und großzügig gespendet haben oder das vielleicht noch tun werden.

Albrecht Schönbucher

Noch bis 20. August kann gespendet werden – und selbstverständlich auchjeder Zeit danach für den Förderverein. Alle Infos unter: www.mon-devoir.de/aktiv-werden/benefizaktionen/albrecht-100-meilen/